In Österreich ist die Zersplitterung der Tarifverhandlungen in den betreffenden Sektoren nicht nur das Ergebnis der Koexistenz von Beamten und Privatbediensteten (siehe oben). Sie ergibt sich auch aus Ausnahmen von der Regel des Repräsentationsmonopols, die gewöhnlich die österreichischen Arbeitsbeziehungen kennzeichnet, durch die obligatorische Arbeitgebervertretung durch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Ungewöhnlicherweise wurde das Recht auf Tarifverhandlungen an die Holdinggesellschaft der Gemeinde Wien (die im Elektrizitätssektor tätig ist) und an den wichtigsten Festnetz-Telekommunikationsbetreiber, die Österreichische Telekom (AT0203202F), vergeben. Dies sind zwei der wenigen Beispiele dieser Art in Österreich, und verhandlungsrechte wurden wahrscheinlich aufgrund der Anerkennung der Besonderheit dieser Sektoren gewährt. Aufgrund der Zersplitterung der Vertretung enden die Beschäftigten im Elektrizitätssektor in Österreich fünf Tarifverträge, zwei branchenweite Vereinbarungen und drei Betriebsvereinbarungen, ganz zu schweigen von den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die formell von Tarifverhandlungen ausgeschlossen sind. Drei Viertel der sektoralen Beschäftigung werden durch die von den Arbeiter- und Angestelltengewerkschaften mit dem Verband der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ) unterzeichneten Vereinbarungen des privaten Sektors abgedeckt; ein weiterer bedeutender Anteil der Beschäftigung (ca. 20%) gilt durch die drei Verträge für die Gesellschaften der Gemeinden Wien, Graz und Innsbruck, die entweder von VEÖ und WKÖ (Graz und Innsbruck) oder von der Gesellschaft selbst (Wien) und der GGB-Gewerkschaft der öffentlichen Angestellten unterzeichnet werden; und es gibt auch eine Reihe lokaler öffentlicher Unternehmen, die weniger als 5 % der sektoralen Arbeitskräfte beschäftigen, die nur informell mit dem GGB verhandeln. Die Umstrukturierung der öffentlichen Versorgungsunternehmen zusammen mit der umfassenderen Reform der Beschäftigung und der Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Sektor hat dazu beigetragen, die Traditionen der Kollektivverhandlungen für den gesamten öffentlichen Sektor in Ländern, in denen diese existierten, abzubauen. Dies geschah beispielsweise in Österreich, zunächst aufgrund eines Regierungsbeschlusses aus dem Jahr 2000, der die Praxis zentraler informeller Verhandlungen (da der öffentliche Sektor formal von Tarifverhandlungen ausgeschlossen ist) zwischen Land, Land und Gemeinden und den Gewerkschaften des öffentlichen Sektors beendete. In der Folge verstärkte und trug das fortschreitende Entstehen von Tarifeinheiten, die direkt mit den öffentlichen Versorgungsunternehmen zusammenhängen, zu dieser Zersplitterung der Tarifverhandlungen bei (siehe unten unter “Tarifverhandlungsstruktur”). Auch in Deutschland löste sich 2003 der Verband der deutschen Arbeitgeber auf allen Ebenen (Bund, Länder und Kommunen) nach mehr als 40 Jahren gemeinsamer Tarifverhandlungen auf, da die Vertreter von Bund und Ländern die Koalition mit kommunalen Arbeitgebern nicht mehr praktikabel hielten (DE0306202N). Im März 2008 unterzeichnete die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) einen neuen Vertrag für die westdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie.
Die Vereinbarung sieht eine allgemeine Lohnerhöhung von 3,6 % und eine Einmalzahlung von 200 EUR vor. Einige neue Organisationen sind ebenfalls entstanden, wie der belgische Verband der Strom- und Gasversorger (Fédération Belge des Entreprises Electriques et Gaziéres/Federatie van de Belgische Elektriciteits- en Gasbedrijven, FEBEG).